Pupikofer, Geschichte des Thurgaus, Bd. 2, 338, nennt die Reformation die Mutter der Volksschule : dieses scheint für Ermatingen insoweit zuzutreffen, als wir mit der Anstellung Rabers 1532 auf die Frühmesspfründe „um die Jugend wohl zu unterrichten" die erste zuverlässige Kunde von Bestrebungen ans diesem Gebiete erhalten; gleichwohl dürfte sich etwas Ähnliches in schwachen Anfängen doch schon früher vorgefunden haben (da schon in der ersten Zeit von Bertschis reformatorischen Bestrebungen die Streitschriften Luthers und anderer Reformatoren eifrig gelesen worden sein sollen).
Während meistenteils damals in den Landgemeinden in Ermangelung von Schulanstalten etwa die Geistlichen Schule hielten, scheint dieses in Ermatingen nur ausnahmsweise, z. B. 1632 der Fall gewesen zu sein, wo laut Gemeinderechnung dem Pfarrer dafür ein Jahrgehalt von 3 Gulden und 10 Batzen bezahlt wurde, und tritt dagegen schon früh ein eigener Schulmeister in Sicht, freilich nicht als hervorragende Persönlichkeit, denn mit der Existenz eines solchen mag es kümmerlich genug ausgesehen haben.
Er wurde von der Gemeinde für so lange Zeit gewählt, als es dieser beliebte, ihn bei der Stelle zu belassen, und erteilte seinen Unterricht für die Kinder evangelischer Konfession des gesamten Kirchspiels in einer Stube.
Erst 1684 wurde ein eigenes Schulhaus gebaut; dasselbe kostete 404 Gulden.
"O Herr Je,
das thut weh,
du junge Welt,
wenn man so hushält,
wenn man so übel thut husen;
es thut eim schier darab grusen,
ab dem übel husen."
Nicht unverdient scheint in dieser Beziehung damals die Gewissenhaftigkeit des einen und andern Gemeindebeamteten zeitweise erheblich nieder im Tageskurs gestanden zu sein, dass es dem also stand.
Beiläufig bemerkt, betrug damals die Zahl der noch vorhandenen silbernen Becher immerhin in 40 Stück, wovon 35 Tischbecher und 5 halbmässige Becher, da es als altes Herkommen galt, dass bei seiner Aufnahme ins Bürgerrecht jeder, dem es die Mittel erlaubten, einen solchen aufs Gemeindehaus spendierte.
An Gelegenheit, von denselben Gebrauch zu machen, war dort kein Mangel, indem, wie der Titel Raths- und Gesellenhaus besagt, unter welchem es 1501 erbaut wurde, die grosse Bürgerstube nicht nur zu Gemeindezwecken, sondern auch als Trinkstube für gesellige Unterhaltung der Bürger, Zusammensitzen, wie man es damals hiess, diente und ein Vorwand zum wenigsten davon hergenommen werden musste, dass es jedem frei stehe, hierfür nur das Getränk selbst von Hause mitzubringen, weil ohne diese silbernen Becher von Gemeindewegen für solche ausreichend gewöhnliche Trinkgläser dort zur Verfügung gehalten wurden.
Für Hochzeits- und Taufmahle scheint sich ohnehin das von selbst verstanden zu haben.
Trotz des ökonomischen Rückgangs, wie ihn so der Gemeindeschreiber schildert, galt indessen stets das Gemeindebürgerrecht als ein gutes und war die Begehrlichkeit, desselben teilhaft zu werden, derart wachsend, dass man 1576 dieselbe mit Erhöhung der Einkaufstaxe von 20 gemeinen Gulden aus 80 Gulden einzuschränken bestrebt war. Aber die damit verbundenen guten Nutzungsrechte an Wunn und Weide, Holz und Feld, kamen nur denen zu statten, welche Haus und Grundbesitz besassen, und der Arme, der seinen Unterhalt mit Taglohn suchen musste, hatte von seinem Bürgerrechte wenig Gewinn, vollends aber der, der sich nicht durch Handarbeit ernähren konnte.
Ermatingen steht daher mit seiner Grosszahl von Bettlern unter den Seegemeinden in unbeliebsamem Vordergrund.
1627 waren in Ermatingen 63 Personen, die zu ihrem Lebensunterhalt des Bettelns benötigt waren, in Triboltingen 39, Mannenbach 13, Fruthwilen 25 und in Salenstein 45, zusammen also ans der Kirchgemeinde 185 Personen.
Dieselben erhielten für den Bettel auswärts auf Empfehlung der Ortsbehörden von diesem bischöflichen Obervogt einen Ausweis und ein besonderes Zeichen, das sie dann bei sich tragen mussten und für dessen Verausfolgung er sich von jedem eine Gebühr bezahlen liess.
Abgesehen von den Schlossbesitzern, welche wiederholt bestrebt waren, durch Vergabungen die Stiftungen ihrer Vorfahren für die Armen zu mehren, hielt sich die Privatwohltätigkeit im allgemeinen grossenteils durch die von Bertschi früh schon eingeführten Kirchensteuern an den hohen Festtagen ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren armen Mitbürgern als abgefunden.
... gleich wie die Gemeinde als solche ihrerseits damit das ihrige getan zu haben erachtete, dass sie 1528 dem Jost Sauter ein Haus mit der Bedingung zu Lehen gab, dass er darin auch den armen Leuten Herberge geben müsse.
Vergabungen aus der Bürgerschaft zu Armenzwecken sind noch lange Zeit eine äusserst seltene Erscheinung.
Vorzüglich hob sich als Erwerbsmittel neben der Fischerei die Schiffsfahrt, indem Ermatingen wegen seiner günstigen örtlichen Verhältnisse immer stärker als Landungsplatz für den Korn- und Güterverkehr zur Geltung kam.
Die Wirtschaften vom Staad und die Schiffleute scheinen nach den Strafprotokollen gute Tage gehabt zu haben.
Selbst über die Zeiten des schwarzen Todes 1610 bis 1612, wo nach der Sage ganze Geschlechter ausgestorben sein sollen und der Kirchhof grösser gemacht werden musste, ist so gut wie gar nichts ersichtlich, und es muss daher mit dieser Skizzierung einzelner Parthien des Gemeindelebens geschlossen werden, dass Ermatingen im grossen Ganzen sich sonst nirgends mit seinen Erlebnissen in der thurgauischen Zeitgeschichte bemerkbar macht, soweit nicht die religiösen Fragen darin im Vordergründe stehen.
„Es herrscht ein grausamer Sterbent; der liebe Gott wolle uns alle gnädig behüten!" Mit dieser für die Wissbegierde bemühenden Kürze erledigt eine Anmerkung im Ratsprotokoll die Erlebnisse während der Zeit der pestartigen Krankheit, des schwarzen Todes, 1611, wo in Konstanz bei 4000 und im Thurgau selbst 33'584 Personen daran starben.
Dass sie auch in Ermatingen sehr heftig regiert habe, ist daraus zu schliessen, dass damals der Kirchhof vergrössert wurde, und der Volkssage nach ganze Haushaltungen ausgestorben seien.
Kaum begann die Erinnerung an diese Schreckenszeit in etwas abzublassen, so brachte das Jahr 1628 neue schwere Heimsuchung mit Teuerung und Hungersnot; in Ermatingen mussten laut amtlichen Verzeichnisses 63 Personen ihren Unterhalt auswärts mit Betteln suchen.
Bei stürmischer Witterung ging am 26. Mai nahe bei Mannenbach ein Schiff unter; es ertranken 55 Personen, welche in der Reichenau im Kloster um Almosen gebettelt hatten, deren allein 21 von Raperschweilen und Fischbach waren. Mit Recht sagt Pfarrer Amstein in seiner Geschichte von Wigoltingen: „Wie unsäglich musste da Not und Armut sein, dass um einer Schüssel Suppe und eines Brötchens willen Leute stundenweit herkamen".
1635 zeigte nicht nur pestartige Krankheit, sondern auch derart Mangel, dass arme Leute gezwungen waren, den Hunger mit Kleie, Kräutern, welche sonst nur als Viehfutter dienten, Schnecken, Eicheln usw. zu stillen.
Indessen ist das Jahr 1692 mit seinen Erlebnissen als Notjahr denjenigen von 1628 und 1635 fast überlegen. Korn, das man 26 Jahre zuvor für 12 Kreuzer gekauft, galt jetzt 4 bis 7 Gulden das Viertel. „Von Ermatingen laufen über hundert Bettler im Lande herum", lautete ein Amtsbericht des evangelischen Dekanats nach Zürich; ob damit nur Dorfangehörige oder solche aus dem ganzen Kirchspiele gemeint seien, ist indessen nicht ersichtlich.
In unmittelbarem Gefolge der furchtbaren Teuerung zog auch der Hungertyphus durchs Land. Während in gewöhnlichen Jahren die Gesamtzahl der Toten evangelischer Konfession laut der Pfarrbücher selten auf mehr als 40 anstieg, sind 1692 412 Personen gestorben.
Eine Abrechnung von 1695 gibt den gesamten Güterbestand im Gemeindebann zu 195 Manngrab Reben, 212 Manngrab Wiesland und 156 Juchart Ackerfeld an.
Schon frühe begegnete man der Meinung, es habe in Ermatingen zu wenig Ackerfeld und zu viel Rebland; letzteres sei hoch im Preise und jüngeren Leuten nicht leicht, zu einem Gütergewerb zu kommen.
Aber nicht nur als Fischer, auch als besonders kundige und zuverlässige Schiffleute standen die Ermatinger in der ganzen Seegegend in vorzüglichem Ruf, und die günstigen örtlichen Verhältnisse für den Frachtverkehr brachten guten Verdienst, wobei indessen die harte Arbeit nicht immer ein Sporn zur Häuslichkeit gewesen zu sein scheint.
Für den Markt- und Warenverkehr nach Radolfzell, Gottlieben und Konstanz waren zwei besondere Schiffmeister bestimmt und Gebühren und Verbindlichkeiten derselben durch einen Gemeindebeschluss ("Schiffleutenordnung") vorgeschrieben.
Es meldete sich stets hiefür eine so grosse Anzahl von Verdienstsuchenden, dass öfters Streit und Schlägereien entstanden.
Das Bestreben, den Zollplagereien für den Absatz der eigenen Produkte und beim Getreidebezug auf den gewohnten deutschen Marktplätzen durch Errichtung eigener Märkte zu begegnen, führte dazu, dass 1660 bei den regierenden Orten die Bewilligung zur Abhaltung eines Wochenmarktes und zweier Jahrmärkte, je auf 16. April und 1. Dezember, ausgewirkt wurde.
Die Hoffnungen, welche man sich davon machte, erfüllten sich indessen nur in untergeordnetem Masse. Ermatingen stand bei den Gerichtsherren nicht in gleicher Gunst wie Gottlieben und vermochte deshalb nicht mit diesem als Hauptstapelplatz für den auswärtigen Warenverkehr in Konkurrenz zu treten; aber die Eigenschaft als Marktflecken ermöglichte anderseits, dass jetzt auch Berufsarten, welche sonst als städtische Gewerbevorrechte galten, betrieben werden konnten, während bisher das Handwerk nur blosse Nebenbeschäftigung einzelner und auf das Allernotwendigste beschränkt gewesen war.
Hin und wieder führten aber auch die Ansichten solcher Einzüger über den Umfang ihrer Berufsberechtigung zu Reibungen mit den althergebrachten: so klagt unter anderen 1677 Joseph Keller, Bader und Barbier von Konstanz, als lehensweiser Inhaber der Badstube, dass sich im Arenenberg ein Hans Jakob Tobler, Bruchschneider aus dem Appenzellerland, aufhalte, der ihm mit Aderlassen, Schröpfen und Erteilung von Purgationes und Medikamenten die Patienten wegnehme „so ihm zu kurieren gebühren" : er bitte, das er für den Unterhalt von Weib und Kind geschützt und Tobler, weil er ein Fremder sei, in seine Heimat gewiesen werde; er wolle beweisen, dass derselbe über Gebahr und Gebot wohl schon mehr als zweihunderten zu Ader gelassen habe. Der Landvogt verfügte hierauf, Tobler solle fortan nur seine Kunst als Stein- und Bruchschneider ausüben, Keller aber, weil Inhaber der Badstube, in allem übrigen bestens geschirmt sein.
Tobler half sich aber gegen die ihm damit gezogenen Schranken so, dass er 1689 die Badstube kaufte und nun sofort seinerseits dem Keller aus dem gleichen Grunde, wie Keller früher ihm, den weitern Betrieb des Berufs verbieten liess; damit kam das gesamte dazumalige Sanitätswesen in eine Hand, und Ermatingen hatte es nicht zu beklagen; volle zwei Jahrhunderte lang haben in der Folge die Tobler als geschickte Chirurgen und Ärzte ehrende Anerkennung gefunden.
Auch ein Einzüger andrer Art machte um diese Zeit von sich reden, der, obgleich vielfach übel angesehen, und für seine Duldung schwer tat, ziemlich rasch zu viel Anhang kam, nämlich die Sitte des Tabakrauchens - aber wer bei bürgerlichen Zusammenkünften auf dem Rathause, also auch beim Abendtrunke daselbst, sich dessen schuldig machte, wurde mit einer Busse von einem Pfund Pfenning bestraft, und wie sehr es eine hohe Obrigkeit damit ernst nahm, zeigt, dass diese Bussenandrohung in der Gemeindeordnung von 1666, die jedes Jahr an der Jahresgemeinde verlesen wurde, „als von Alters her" gleich unter Nr. 2 von 16 Satzungen ihre Stelle hat.
... und zunächst 1619 eine Wehrordnung beschlossen wurde, wofür das Land in 8 Quartiere eingeteilt, Ermatingen für das 7., gebildet aus Ermatingen mit Wolfsberg, Arenenberg, Sandegg, Frnthwilen mit Hubberg, Salenstein, Mannenbach, Berlingen, Steckborn mit Feldbach, Mammern mit Neuburg, Eschenz und Wagenhausen, als Quartierhauptort, und 1628 Bürgermeister Jakob Kreis zum Kommandanten desselben bestimmt wurde.
Damit erforderlichenfalls es aber auch zur kräftigen Abwehr von Grenzverletzung nicht an kriegsverständigen Befehlshabern mangle, hatten die regierenden Orte 1633 eine Anzahl
von Hauptleuten ins Thurgau geschickt, von denen einer, Heinrich aus Zug, als örtlicher Platzkommandant in Ermatingen Stellung nahm.
Als am 28. August (8. September) der schwedische General Horn unversehens mit 4666 Mann vor Stein anrückte und über Eschenz aufwärts ziehend mit seinen Truppen bei Triboltingen, Gottlieben, Kreuzlingen und Umgebung Stellung nahm, weil er von thurgauischer Seite her die Stadt
Konstanz am leichtesten zu nehmen hoffte, wagte derselbe so wenig als die andernorts einen Versuch zum Widerstand; „es sei zu viel Volk".
(Von den Folgen dieser Unterlassung und deren Beurteilung seitens der katholischen Stande s. Keller, der kriegsgerichtliche Prozess gegen Kilian Kesselring.)
Farblosen, monotonen Ansehens sind diese Jahre von 1647 bis 1797. Kleinliche Affären wurden mit grossem Geräusch betrieben und die kirchlichen Verhältnisse boten fast nie versiegenden
Stoff dafür dar.
Auch Ermatingen trug das Merkzeichen, mit dem sich diese Periode allerwärts bis gegen das Ende des 18. Jahrhunderts in der Geschichte eingetragen hat ; da ist überall Erschlaffung und Verknöcherung; es mangelt jeglicher Unternehmergeist.
Es kam wie im Gemeindewesen, so auch im Haushalt des Einzelnen in nichts anderem vorwärts als in den Schulden.
Das immer entschiedenere Auftreten der katholischen Geistlichen, sicher dabei stets am gerichtsherrlichen Obervogt Rückhalt und am Landvogt, soweit dieser ihrer Glaubensachtung angehörig, zum mindesten keinen Widersacher zu finden, hatte zur Folge, dass fortan auch die reformierten Pfarrer, auf den Schutz von Zürich vertrauend, festere Stellung nahmen.
Trotzdem, dass oft personifizierte Lieblosigkeit sich breit machte, hielt der Interessekitt des gemeinen Alltagslebens die Grollenden leidlich zusammen. Ungeachtet sich Landrichter Strassburger und sein Tochtermann Kaspar Bohner ganz besonders als Wortführer unter der katholischen Bürgerschaft hervortaten, hatten sie ihre Freilassung aus schwedischer Kriegsgefangenschaft einzig der Fürbitte
des reformierten Pfarrers und des Gemeindeammanns Kreis zu verdanken.
Ermatingen galt zu keiner Zeit für die Herren Pfarrer als eine behagliche Pfrund; es war daran das geringe Einkommen nicht allein schuld. Schon früh war es sprichwörtlich, es werde dort kein Pfarrer alt.
Von Pfarrer Steger wird berichtet, dass er eine Menge Prozesse gehabt, dass in Folge derselben alle erdenklichen Rohheiten vorgefallen, ihm wiederholt die Fenster eingeworfen und Saatfrüchte und Reben abgehauen worden seien u.s.w.
Mit dem bescheidenen Einkommen der Pfründen standen auch die Pfarrhäuser in Einklang; sie hatten vor den gewöhnlichen Bauernhäusern des Dorfes wenig voraus.
Nachdem Michael Seger sich während der Predigt so insolent aufgeführt, dass nicht nur die sämtliche Zuhörer, sondern sogar der Prediger selbst hieran geärgert, so wird, um ein Exempel zu statuieren, dem Amman anbefohlen, den Seger zur Strafe am Sonntag, während beide Religionen Gottesdienst halten, mit der Geige am Hals öffentlich an die Kirchentür stellen zu lassen.
Seit Ende des 16. Jahrhunderts war das Singen von Psalmen beim sonntäglichen Gottesdienst eingeführt.
1761, zehn Tage vor Weihnachten, verkündete Pfarrer Tobler am Schlusse der Predigt, dass man heute nun mit dem Singen aller 150 Psalmen von Lobwasser fertig geworden und dazu gerade sieben Jahre gebraucht habe.
Endlich sei auch der Aufzeichnung des 1766 einundachtzig Jahre alt gestorbenen Messmers Hans Konrad Seger gedacht, zufolge welcher er während 48jähriger Dienstzeit assistiert hat bei:
2565 Leichen,
2571 Taufen,
685 Ehen.
Freimütig bespricht Pfarrer Tobler in seiner Abschiedspredigt die Zustände während seines Aufenthalts, 1754 bis 1760, wie da alles, selbst auch die neue Kirchenordnung, als Stoff zu
gegenseitiger Verfolgung ausgebeutet worden; was er alles an Rohheit, Prozesssucht und Gehässigkeit habe mitansehen müssen.
Vor lauter Rechtshändeln seien viele kaum zum ABC des Christentums gelangt, und seine gedruckte Beschreibung eines christlichen Dorfes habe an jedem fremden Orte mehr gewirkt als in
Ermatingen.
Obenan im Ansehen standen im Dorfleben der Ammann und der Bürgermeister. Der vom Gerichtsherrn gewählte Ammann besorgte als Stellvertreter des Obervogts in der Reichenau die
Vollziehung der herrschaftlichen Befehle und Verordnungen, handhabte Gerichtsbarkeit und Vorladungen im Umfange der Herrschaftsrechte und den Bezug ihrer Gefalle und Bussen.
Der hingegen von der Gemeinde frei gewählte Bürgermeister war ihr Vorstand in allen Angelegenheiten, welche das Gemeindewesen überhaupt und ihren Haushalt beschlugen, und wo immer die Volksmeinung sich um den Grundsatz steifte: „Das ist unser Sach" ; seine jährliche Besoldung betrug 29 Gulden: sein Verhältnis zur Gemeinde in der Sorge hierfür war ein sich gegenseitig ergänzendes und bestimmendes, indem bei allem von irgend welchem Belang nicht der Bürgermeister, sondern die Gemeinde das entscheidende Wort sprach.
Verlieh sein Amt als Sachwalter der Gemeinde im Alltagsleben einen besondern Glanz, so gehörte
hinwieder dessen Eigenschaft, sie gegenüber Gerichtsherrn und Landvogt zu repräsentieren, nicht immer zu den Annehmlichkeiten.
Zur Unterstützung in seinen Obliegenheiten stand ihm, und zwar wo nötig erachtet, mit Bussenerkenntnis, ein Gemeinderath zur Seite.
Die Strafmittel waren hauptsächlich: Geldbussen, Gefängnis im Arrestlokal des Rathauses, wobei weniger die Dauer des Verhaftung, denn diese war höchst selten mehr als 24 Stunden, dieser Strafart Respekt verlieh, als vielmehr der Titel des Verhaftsortes, ähnlich wie in Konstanz der der Kuh, und endlich die überaus oft verhängte Strafe der Geige, sei es mit derselben angetan im Dorf herumgeführt, oder während des Gottesdienstes vor die Kirchentür gestellt zu werden.
So wird 1738 Hans Jakob Mennis Knabe, 13 Jahr alt, welcher vom Kronenwirt, bei dem er als Wümmler angestellt zu werden gewünscht hatte, aber nicht angenommen worden war, sagte: „er wünsche, dass der Hagel ihn und alle seine Trauben aben schlage", am Sonntag von 8 bis 12 Uhr vor der Kirche in die Geige gestellt.
Scharf waren die Strafen in diesen Zeiten für Feldfrevel, selbst bei bei den von den Kindern verübten; so wurde Kaspar Läublis Knabe, weil er Äpfel herunter geschlagen, eine Stunde ins Narrenhäuslein gesperrt, wobei die gesamte Schuljugend als Zeuge zugegen sein musste; ebenso Jakob Menni, Färbers Knabe, und dabei dessen Vater, wegen ungebührlicher Reden darüber eine Stunde lang in die Geige gestellt.
Körperliche Züchtigung war für Zigeuner und ähnliche Landfahrer vielbeliebtes Strafmittel, sonst nicht.
Zahlreich war überhaupt das Personal der örtlichen Beamten und Angestellten; als solche erschienen neben dem Amtsbürgermeister ein zweiter, stillstehender, dem wesentlich ein Theil der Schreibereien oblag; zwei Kirchenpfleger, zugleich mit der Aufsicht über den Spital beauftragt; zwei Amtsseckelmeister; ein Gredmeister; sieben Markter; zwei Christöffel; zwei Holzschauer; zwei Feuerschauer; zwei Fleischschätzer ; zwei Brodschätzer, zwei Feldschätzer; vier Hauptleute zu Steg und Weg; fünf Brunnenmeister; ein Hirtenmeister; ein Bauholzmeier; zwei Schiffleute; ein Vieh-
Hirt; zwei Nachtwächter; zwei Hebammen.
An Titelträgern und Titellustigen fehlte es also nicht.
Alle diese Stellen, gleich wie die des Bürgermeisters und der Gemeinderäte, besetzte
die Gemeinde selbst in freier Wahl. Dabei hatten die Anverwandten des Vorgeschlagenen bis ins dritte Glied in Ausstand zu treten: die Wahl geschah durch Strichmehr in der Weise, dass, wer ihm die Stimme geben wollte, dafür auf dem Amtstische des Vorsitzenden einen Kreidestrich machte.
Die wiederholten Beschwerden der Katholiken, dass sie bei den Wahlen nicht nach Verhältnis berücksichtigt würden, wurden 1737 in einer sie zufriedenstellenden Weise so geregelt, dass alle
drei Jahre ein katholischer Bürgermeister und Seckelmeister sein solle, wenn aber ein katholischer Ammann, dann aber kein katholischer Bürgermeister.
Zur Gerichtsbesetzung sollen fortan acht reformierte und vier katholische Richter
zu wählen sein.
Um zu wissen, was Rechtens sei, brauchte es nicht wie heut zu Tag 12 Bände Gesetzessammlung durchblättern und dann noch sich bei Advokaten Raths erholen zu müssen. Ausser der Offnung gab es ein Rechtsbuch nicht: dagegen als Ergänzung und teilweise Anpassung an die veränderten Verhältnisse Gemeindeschlüsse mit einer Zusammenstellung derselben von 1686, welche zu jedermanns Nachachtung allemal an der Jahresgemeinde verlesen wurden.
Regen Eifer zeigten stets Gerichtsherr und Gemeindevorgesetzte im Bestreben für Handhabung von Zucht und Ordnung im Dorf, wenn auch mit nicht gerade bahnbrechenden Erfolgen.
Da ist bei ihnen fortwährend Klage, dass an den Sonntagen schon vormittags während des Gottesdienstes in den Wirtshäusern gespielt, gekegelt, gelärmt und mit Fluchen und Saufen
aller Unfug los fei. Das Krämern und Verkaufen von Obst während des Gottesdienstes wurde streng verboten.
Das liebste Sorgenkind der Ermatinger war stets der Wald.
Gleichwie die kirchliche Zusammengehörigkeit mit Triboltingen, Fruthwilen, Salenstein und Mannenbach noch ein Überrest der ehemals bestandenen gemeinsamen Marktgenossenschaft sein mag, so hatte sich auch bis in die Zeiten der Reformation die gemeinsame Nutzung der Waldung forterhalten.
Streitigkeiten führten um 1520—1530 dazu, dass Salenstein und Fruthwilen durch Zuteilung eines
Stückes als Eigentum für ihre Rechte daran ausgelöst wurden. Gleiches strebte Ermatingen auch bezüglich Triboltingen wiederholt an, eine Vereinbarung kam indessen erst bei 300 Jahre später, 1825 zustande.
Nicht dass inzwischen das Verhältnis der beiden letzteren unter sich stets ein einträchtiges gewesen wäre...
Schon 1568, und später wiederholt, bemühte sich Ermatingen, sein freies Nutzungsrecht an der Waldung auch für die Jagd zu beanspruchen, gleich wie ihm solches auch zur Vogeljagd auf dem See zustehe, ohne aber mehr zu erlangen, als was nach Landesordnung von 1634 überhaupt gestattet war, Berechtigung, soweit es sich um Wölfe, Wildschweine und Wildzeug handle, welches Vieh und Kulturen Schaden bringe.
Auf ergangenen Ruf war jeder leibeskräftige Mann pflichtig, sich dafür zur Jagd zu stellen und auf dem Rathause dazu ein Wolfsgarn gehalten. Für einen erlegten Wolf war eine Prämie von 40 Gulden verheissen, wovon 10 der Gerichtsherr bezahlte und 30 auf die Güterbesitzer veranlagt
wurden.
Bezüglich der Jagd auf Rehe, Hasen, Dachse und Füchse scheinen schon dazumal die gleichen Klagen über geringen Bestand zu hören gewesen sein wie heutzutage.
Nicht gleiches Interesse wie für das, was den Wald anbetraf, zeigt sich für gutes Instandhalten der Strassen.
Noch im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts waren Wagen und Zugvieh seltene Sachen im Dorf, zumal der örtliche Verkehr sich mehr und leichter zu Schiffe abmachen liess als zu Lande. Dabei schreckten die Kosten vor Verbesserungen zurück.
Über Unterhaltung von Steg und Weg bestimmt zunächst die Gemeindeordnung:
„Wer auf der Gass im Flecken oder Landstrass Dünger streut, soll selbige Gass in Ehren halten, dass man sie ungehindert fahren, reiten oder gehen kann, und in Winterzeit selbe auch rumen wie von alters her, bei Busse von ein Pfund Pfenning." - „Es sollen von Anfang Herbst die Strassen gebessert und dergestalt in Stand gestellt werden, dass Frömbd und Einheimisch ohn Klag wandeln, auch reiten und fahren können."
Wie wenig aber solches Nachachtung fand, zeugt, dass 1729 Ammann und Vorgesetzte insgemein
dem Gerichtsherrn klagen, es seien in der Gemeinde die Strassen so schlecht bestellt, dass Reparierung höchst notwendig wäre.
Zwar folgte ein scharfer Zuspruch von seiten des Bischofs an die Gemeinde, der dreimal von der Kanzel verlesen werden musste, dass fortan bei 19 Pfund Pfenning niemand sich mehr unterfange, solches weiter zu hindern!
In der Tat, wie wenig Zuspruch und Strafandrohung Nachachtung fanden, selbst als 1742 auch der Landvogt Weisung zugehen liess, die Strassen zu verbessern, da Klage einlief, dass sie in Ermatingen und Triboltingen fast ungangbar seien; es blieb beim Alten.
1779 musste der Bischof neuerdings befehlen, dass fortan bei Vermeidung ernster Strafe niemand mehr etwas aus den Gittern auf Wege, Strassen oder in Seitengraben werfe, am wenigsten aber
von Hägen abgeschnittene Dornen, wie das leider gebräuchlich, da sonsten Menschen und Vieh beschädigt werden möchten.
Umständlich war der Verkehr mit Wagen; so musste denn nach Triboltingen der Weg durch die Pflanzergass, das Fiderengässli den Berg hinauf und die Karrengasse abwärts bei der
dortigen Kapelle vorbei genommen werden.
Die Beschaffenheit der Strassen im allgemeinen illustrieren auch die Verhandlungen von 1744 mit dem Junker Johannes Zollikofer auf Wolfsberg, welcher laut Tradition die erste Kutsche in Ermatingen besessen haben soll: sie machten den Gebrauch derselben bei schlechtem Wetter, namentlich zur Winterszeit, wenn der Boden nicht gefroren war, fast unmöglich.
Wenig Freude mochte ihm trotzdem sein Kutschenbesitz doch noch machen, wenn er, wie von ganz glaubwürdiger Seite berichtet wird, bisweilen trotzdem genötigt gewesen sein soll, bei seinem Vetter im Hard einen Ochsen als Vorspann zu erbitten, weil seine zwei Pferde allein dieselbe nicht den Berg hinauf brachten und es geringer Trost für ihn sei, dass es seinem Verwandten auf Kastell öfters bei Rückkehr von Spazierfahrten ähnlich ergehe, da auch in Tägerwilen der Zustand der Strassen
kein besserer war.
So gross auch der Einfluss der Reformation zu besserer Gestaltung des Armenwesens im allgemeinen war und die Schlossbesitzer sich dafür teils mit Stiftungen von Kapitalien, mit solchen für Brot, für Tuchspenden und andre Unterstützungen in weitgehender Weise betätigten, so ging es dagegen seitens der Gemeinde als solcher mit den Bestrebungen sehr lässig vorwärts.
Gewiss hinderte daran auch die Zweiteiligkeit in Glaubensfachen. Man hielt im allgemeinen dafür, das sei eine kirchliche und nicht eigentlich bürgerliche Gemeindesache und liess es dabei getan sein, wenn 1528 dem Jost Sauter ein Haus nächst der Badstube (das jetzt Jakob April gehörige) von ihr unter der Bedingung zu Lehen gegeben worden sei, dass er darin auch armen Bürgersleuten Herberge geben müsse, welche sonst keine finden.
Über die Ordnung in dieser Armenherberge ist allezeit Klage: 1763 lautet ein Ratsbeschluss: dieweil vorkomme, dass Eberhart April in seinem Hause, darin die Armen einquartiert, bisweilen Spielleut habe, und mit Trinken, Tanzen mit liederlichen Weibspersonen und sonst allerlei Unfug vorkomme, so soll ihm von den Vorgesetzen zugesprochen werden, solches zu unterlassen.
In der Tat, gross war zu allen Zeiten die Zahl der Armen und Hülfsbedürftigen in der Gemeinde, und die Leichtigkeit, sich zu verheiraten, vermehrte dieselbe namentlich durch Verehelichung mit fremden, vermögenslosen Weibspersonen.
Das führte 1759 zu dem Gemeindebeschluss, dass keiner eine fremde Weibsperson heiraten dürfe, es sei denn, dass diese glaubhaft den Besitz von hundert Gulden bare Mittel nebst einer ordentlichen Brautfahrt nachweisen könne.
Da aber die Räumlichkeiten je länger je mehr unzureichend waren, so beschloss 1747 die Gemeinde, einen eigenen Spital zu bauen, ein Gebäude, dem man es ansieht, wie wenig man dabei Ansprüchen auf Versorgung durch die Gemeinde entgegenzukommen willens war.
Herumziehende fremde Bettler, Heimatlose und Kessler, namentlich Zigeuner, welche überhaupt in den Grenzgegenden eine wahre Landplage bildeten, durften zufolge einer schon aus dem 15. Jahrhundert herstammenden Gemeindeordnung bei Busse von 46 Kreuzern niemand länger als einen Tag oder eine Nacht in seinem Hause Aufenthalt gestattet werden.
Denselben war ihrem Aufenthalt ein Stück unangebautes Gemeindeland an der Grenze gegen Mannenbach angewiesen, das noch jetzt den Namen Bettelküche trägt.
Die in der Bettelküche lagernden Vaganten boten keineswegs immer das Bild darbender Armut: vorbeigehende Fremde oder arme Dorfleute wurden oft von ihnen zum Mithalten beim fröhlichen Schmause der erbettelten Gaben eingeladen.
Schule und Schulwesen zeigen, dass, obgleich schon 1611 die Witwe Elisabeth von Breitenlandenberg aus Salenstein und 1614 ihr Bruder, Friedrich Geldrich von Sigmarshofen, Besitzer von Wolfsberg, jene mit Schenkungen für das Schulwesen Verbesserungen angestrebt hatten, es noch lange Zeit bei dem verblieb, was die Reformation angestrebt hatte.
Die erforderlichen Räumlichkeiten wurden anfangs, soweit immer möglich, bei dem Mindestfordernden gemietet und erst 1684 ein Schulhaus gebaut.
Dieweil Hans Walter Ammann als zum Schuldienst vorgestellt und examinieret worden und in solchem nicht in allem bestanden, ist abgehandelt worden, es möge dieser Amman mit nachstehender Condition zu einem Schulmeister angenommen werden:
Erstlich möge er ans einige Zeit einen capablen Mann zu sich in die Schule nehmen, der ihn in der Rechenkunst sowohl als im Schreiben besser unterrichten tät...
Ebenso schwer wie die Schule selbst tat auch der Schulmeister für seine Existenz. Die Besoldung bestand nebst den Zinsen der Vergabungen in einem von den Kindern zu beziehenden Schullohn, bei Hablichen 4, bei andern 2 Kreuzer wöchentlich; für ganz arme Bürgerskinder bezahlte ihm die Gemeinde einen solchen mit jährlich vier bis sechs Gulden.
Stets erscholl Klage von seiten der Katholiken, dass der reformierte Pfarrer einen allzu grossen Einfluss auf die Schule ausübe.
Ihr Bestreben ging auf Errichtung einer eigenen Schule aus, so 1732 in der Weise, dass der Frühmesser nebenbei solche halten sollte; aber es blieb dasselbe erfolglos, bis 1749 ihnen eine Frau Maria Brunner von Brugg bei Fürstenfeld in Bayern, zu diesem Zwecke tausend Gulden vergabte, und auch der Bischof 59 Gulden, sowie verschiedene in- und ausserhalb des Kirchspiels
wohnende Katholiken dazu beisteuerten. Damit wurden nicht nur die bisher mangelnden Geldmittel aufgebracht, sondern auch, indem man das fehlende aus dem konfessionellen Armenfond und dem Bruderschaftsfond entnahm, zu einer eigenen konfessionellen Freischule.
Die Verwaltung dieses katholischen Schulfonds besorgte die gerichtsherrliche Amtsschreiberei in der Reichenau; die Lehrerbesoldung betrug noch 1781 jährlich 40 Gulden, daneben vier Tage in der Woche freie Kost beim Pfarrer und beim Frühmesser; 1775 wurde zur Gehaltsaufbesserung auch der Mesmerdienst mit der Stelle verbunden.
Schreiben, Lesen und Rechnen zu lehren, hielt der Schulmeister für seine Aufgabe; Handschriften und Unterweisung, Orthographie und Satzbildung.
Grosse Stücke wurden auf Lesen und Auswendiglernen gehalten; wer zu Hause hievon viel zu berichten oder gar, wer nach dem Sonntagsgottesdienst fast wörtlich die Predigt des Pfarrers wieder hersagen konnte, galt als besonders gut geschult und gescheit.
Gesang und das Können von Lehrern und Schülern entziehen sich der Möglichkeit einer Berichterstattung, obgleich schon sehr früh Unterricht erwähnt wird, welche namentlich für ihre Beteiligung am Gottesdienste in Gunst stand.
Während der ganzen zwei Jahrhunderte war im Vergleich mit andern grösseren Landgemeinden die Gemeindeschule zu Ermatingen nicht besser, aber auch nicht schlimmer als andernorts; die Zahl solcher, welche des Lesens oder Schreibens ganz unkundig, war gering.
Als Gesamtzahl der die schulebesuchenden Kinder werden 1799 im Winter 190 (davon 25 Mädchen), im Sommer 60 (davon 25 Mädchen) angegeben.
In langen Winterabenden gab das Erzählen vom Schulehalten des Lehrers und von Streichen
humorvollen Übermuts und quellender Jugendlust der Schüler bei und nach dem Schulbesuch einen fast nie versiegenden Unterhaltungsstoff, wenn das übliche Singen von Psalmen und Liedern erleidet war.
Trotz der primitiven Verkehrsverhältnisse, der gesteigerten Erhöhung der Zölle und andrer Hemmnisse hob sich namentlich der Handel mit Wein nach Schwaben und brachte einzelne
Familien zu nennenswertem Wohlstand. Da war nicht mehr wie ehedem Verlegenheit, was mit dem Wein anzufangen sei: die Erwerbslust hielt ihn sorglich auf Lager und liess sich die Kosten für Verbesserung der Keller-Einrichtungen nicht reuen! davon zeugen noch heute in vielen Häusern vorfindliche Jahreszahlen.
Im Schloss Hard konnten im dortigen Keller allein wohl an die zehntausend Eimer gelagert werden,
Neben dem lohnenden Weinbau hatte dann begreiflich auch das Küferhandwerk gutes Gedeihen seine Arbeiten, Fässer, Standen, Zuber u. dgl. waren an dem Konstanzer Kilbimarkte ganz besonders begehrt.
Die älteste Bestimmung darüber, was bei Feuersbrünsten zu geschehen sei, findet sich in der Offnung mit den Worten:
„Wenn man Stürm lüt, so soll man an die Brugg laufen; es were denn, dass es prenn, so soll man zu dem für kehren. Was man sich denn einigt, dem soll man nachkommen, und welcher sich säumt und nicht käme, der ist dem Herrn von Ow fünf Pfund Pfenning verfallen und dem Flecken fünf Pfund."
Von spätern mangelt uns Bericht.
1725 wurde die Anschaffung einer Feuerspritze beschlossen. Wohl etwas zu volltönend für die Leistungskraft war an derselben zu lesen:
Obwohl das Feuer
brennt ungeheuer,
lösch ich mit Macht
bei Tag und Nacht.
Von Brandunglück scheint Ermatingen selbst in früherer Zeit so selten heimgesucht worden zu sein, dass, als 1796 das Haus des Jakob Geiger im Aussendorf abbrannte, dieses mit dem Bemerken aufgezeichnet steht, es sei dergleichen wohl bei zweihundert Jahren nie vorgekommen.
Wer in diesen Zeiten Briefe absenden wollte, tat dieses durch den jede Woche zweimal, Sonntags und Donnerstags, von Schaffhausen nach Konstanz und von dort Dienstags und Samstags zurückkehrenden reitenden Postboten, welcher jeweils seine Ankunft durch ein Rufhorn ankündigte,
und vor der Wirtschaft des Steuerpflegers Kreis dafür kurze Rast machte, wobei er die Besorgung der abzugebenden Postfachen, wenn in Gewärtigung solcher der Empfänger nicht selbst zugegen war, der Gefälligkeit des Wirtes überließ, ohne sich weiter darum zu bekümmern.
Oder man fand Gelegenheit dadurch, dass jede Woche mehrmals jemand nach Konstanz ging, der sich ein Geschäft daraus machte, dort Aufträge zu besorgen und der mit andern solchen Boten aus verschiedenen Gegenden des Landes zusammentraf, wobei sie gegenseitig, was für die ihrige bestimmt, miteinander austauschten.
Die von Frankreich aus verkündeten Ideen von Freiheit und Gleichheit hatte schon ohne diese im Volke gezündet, und die erste Frucht davon war das Begehren, sich von der Leistung des Leibfalls und Lasses loskaufen zu können. Fallpflichtig waren zur Zeit in Ermatingen 273 Haushaltungen.
Leibfall und Lass, die ihn zum Bezug des besten Stückes der Jahrhabe aus dem Nachlasse eines Verstorbenen berechtigten, hatten ihre ursprüngliche Härte verloren und waren mehr zu
einer bloßen Erbschaftssteuer geworden.
Da ohnehin durch den Syndikatsbeschluß vom 9. Juli schon die regierenden Orte bereits das Recht, sich loskaufen zu können, anerkannt hatten, konnte es sich nur um den Preis handeln. Am 9. September kam eine Vereinbarung zustande: die Gemeinde verpflichtete
sich dafür, auf Martini 2184 Gulden zu bezahlen.
Die sämtlichen Unkosten inbegriffen, kam laut Gemeinderechnung der Loskauf im ganzen auf 2213 Gulden und sechs Kreuzer zu stehen.
Das Betreffnis eines jeden daran wurde nach Stand und Vermögen angeschlagen.
Als drei Jahre später es sich darum handelte, auch von den regierenden Orten den Verzicht auf ihre hergebrachten Hoheitsrechte und die Anerkennung des Thurgaus als freies und selbständiges Bundesglied zu erwirken, glänzte Ermatingen nicht durch eigene Tätigkeit, und es gab auch, als am 3. März 1793 die Freierklärung urkundlich zugesichert wurde, mancherlei Bedenklichkeiten.
Die Fischer vorab fürchteten, die neue Ordnung werde eine Schmälerung ihrer bisherigen Befugnisse zum Fischen im ganzen Umfange des bischöflichen Herrschaftsgebietes zur Folge haben, und der Enthusiasmus war nicht groß, als man nach dem Beispiele anderer Gemeinden auch an die Aufrichtung eines Freiheitsbaumes ging, und zwar eines solchen im Oberdorf und eines andern im Staad. Mit Trommeln und Pfeifen war der Baum auf den Stediplatz herunter geschleppt worden; aber zu seiner Ausschmückung hatte niemand Lust mitzutun, bis einer der „Patrioten" sich mit der drastischen Anrede an die Zuschauer wandte: „Ihr Weibsbilder da, was keine Hure ist, die gibt einen Bändel dazu her!" Das half.
Wohl klangen die Worte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" angenehm ins Ohr; aber ihre Begleitschaft waren vermehrte Abgaben unter allerhand neuen und ungewohnten Titeln, und dabei brachte noch die Nähe von Konstanz als einem wegen des Rheinübergangs strategisch wichtigen Punkt seit dem Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und Österreich fast ununterbrochen schwere Einquartierungslasten, Requisitionen und Sorgen aller Art.
Von Einquartierung blieben auch arme Leute nicht verschont, wenn nur irgendwie eine verfügbare Räumlichkeit bei ihnen vorausgesetzt werden konnte.
Hans Georg Mayer, Gerber, hat über seine vom 27. Oktober 1798 bis 30. Oktober 1800 gehabte Einquartierung ein Tagebuch geführt und verzeichnet als solche während dieser Zeit 344 Mann, zumeist 3, 4, 5 auf einmal, ja den 10. April 1799 sogar 10 Chasseurs, letztere mit dem Bemerken, dass sie sich sehr schlecht betrugen mit Stehlen und grossen Händeln. Zumeist hatten die Einquartierten mehrtägigen Aufenthalt, so dass die Einquartierung in diesen 733 Tagen 1717 Beherbergungen und Verpflegungen gleichkommt.
Im allgemeinen gaben die Bürger den Franzosen vor den Österreichern den Vorzug, trotzdem dass sie mit ihren Ansprüchen es den letztern vortaten; musste doch sogar einem im Hard einquartierten
französischen Brigadegeneral selbst das Postpapier zu seinen Privatbriefen geliefert werden.
Müde und gleichgültig nahm man es hin, als nach der Schlacht bei Stockach am 25. März 1799 die Franzosen ihre bisherige Aufstellung in der Seegegend verliessen und österreichische
Einquartierung nachfolgte.
Massenas Siege über die verbündeten Österreicher und Russen zwang dieselben, sich auf das deutsche Grenzgebiet zurückzuziehen, wo sie unter Korsakow zur Haltung der Rheinübergänge bei Büsingen, Diessenhofen und Stein Stellung nahmen.
Von neuem kam damit die ganze Landesgegend entlang dem linken Rhein- und Seeufer in die Gewalt der Franzosen.
Zum großen Schaden an der Gemeindewaldung in der Stelli lagerten dort während etwa sechs Wochen an 2000 Mannes als Beobachtungsposten gegen Konstanz und zur
Sicherung der Strasse landeinwärts, wobei von denselben alles grobe Holz, Eichen, Buchen und, was ihnen als Nutzholz sonst dienlich war, umgehauen wurde.
Unter den Leiden Ermatingens spielt vorab die Einquartierungslast die Hauptrolle, und man hat wahrlich Mühe zu begreifen, wie ausgehalten werden konnte, was eine in der Gemeindelade sich vorfindende Aufrechnung davon berichtet. Laut derselben mussten bis am 11. Dezember 1799 von den Bürgern verpflegt und beherbergt werden:
1'124 französische Oberoffiziere,
43'967 Mann Infanterie,
5'169 Kavallerie,
776 schweizerische Infanterie.
Die Gemeinde hatte für die Kosten aufzukommen. So stellen sich die Kosten auf vierzigtausend und einundzwanzig Gulden.
Unter gewaltigem Wintersturm und Regen hielt am Silvestertag 1799 das achtzehnte Jahrhundert seinen Abschied und hinterliess seinem Nachfolger mit der Tilgung einer Schuldenlast
eine Aufgabe wie keines seiner Vorgänger.
(Es sollte 30 Jahre dauern, bis die Gemeinde diese Schulden abgetragen hatte, damals also eine Generation).