"das ist geschehen am fünfundzwanzigsten Tag des Monats April im Jahr Christi, als man zählte siebenhundert und vier und zwanzig Jahr"
Das Gemälde zeigt, wie Sintlaz den Mönch Pirmin über den Untersee zur Insel Reichenau übersetzt. Alles Ungetier, "ohmenschliche eggsen und wurmen" werfen sich in den Gnadensee und fliehen nach Allensbach.
(Moment, wir Ermatinger müssen noch schnell den Ausschnitt von Ermatingen studieren; man erkennt die damalige Zweiteilung Staad - Zentrum sowie zum Beispiel Lädinen (Lastsegler) und Seginen, die grossen Gemeinschafts-Fischerboote im Bügen).
724 schenkte der fränkische "Hausmeier" (Verwalter) Karl Martell dem Wanderprediger Pirmin die Insel Reichenau, die bis anhin dem Landvogt Sintlaz gehört hatte, um dort ein Kloster zu gründen und die umliegenden Alamannen zu christianisieren.
Es war eine Zeit, in der diese Hausmeier die Regierungsgeschäfte führten und Urkunden im Namen des Königs ausstellten. Sie übernahmen mehr Macht als die Könige selbst, zu dieser Zeit Theuderich IV.
Sintlaz lebte damals auf der Burg Sandegg oberhalb Mannenbach; die Reichenau wurde damals die "Sintlaz-Au" (oder sogar "Sindleszzeisauu") genannt.
Primin starb im Jahr 753 im Kloster Hornbach, nachdem er unter anderem 12 (!) Klöster gegründet hatte - Reichenau war also nur eines unter verschiedenen.
Erst im 9. Jahrhundert wurde eine "vita", ein Lebenslauf, von Pirmin verfasst, allerdings hatte niemand der beteiligten Autoren Pirmin noch selbst gekannt.
Gerne zitiere ich hier auszugsweise aus dieser Vita jene Stellen, die die Vorgeschichte und die Gründung des Klosters betreffen:
Die Aufgabe, die Taten und Werke des sehr heiligen und verehrungswürdigen Mannes Pirminius zu erzählen, erfüllt mich mit Anteilnahme und Freude. Dieser hatte im gegenwärtigen Leben in den Tagen des Frankenkönigs Theuderich in Meaux (ein Kloster, östlich von Paris) als sorgender Hirte das Bischofsamt inne und führte es ohne Tadel. ...
Es geschah aber, dass ein Edelmann von alemannischer Abstammung, Sintlatz mit Namen, in jener Zeit von da wegging, wo er seine Heimat hatte (nämlich der Burg Sandegg oberhalb Mannenbach).
Er gelangte bis an den Ort, wo er den heiligen Pirminius fand... Er klagte, dass er in seinem Land keinen Schutzherrn hatte, der dem christlichen Volk die Grundlagen des göttlichen Wortes auf solche Weise verkündete. Er begann also voll Zuversicht den heiligen Pirminius zu bitten: Wenn es möglich wäre, möge er sich entschliessen, sich eine gewisse Zeit lang bei ihnen aufzuhalten. ...
(Der Papst schickte dann auf Bitten von Sintlatz den Prediger Pirmin zu König Theuderich, der Sintlatz die Bitte gewährte und ihm Pirmin an den Untersee schickte). ...
Und als alles in rechter Weise ausgeführt war, kam er zu dem Ort, der Sintlatzowa genannt wird (die Sintlatz-Au, die heutige Reichenau). Dort aber verweilte er um der Gottes- und Bruderliebe willen eine nicht unbedeutende Zeit. Sintlatz aber dankte Gott, der ihm einen solch grossen Schutzherren gezeigt hatte. ...
Und er zeigte ihm seine vielen Güter, denn er war dort ein reicher Grundherr, dessen Besitz sich weit und breit ringsum erstreckte. Und er bat seinen sehr lieben Freund, er möge geruhen ihm zu zeigen, in welcher Gegend nach seiner Meinung er ein Gotteshaus bauen könne,, um auch nach Pirmins Weggang aus Liebe zu ihm ständig Gottesdienst zu feiern.
Pirmin hörte den Wunsch des sehr lieben Freundes, und weil er klug war, erkannt er darin den Willen Gottes und sagte: "Diese Insel, die ich da sehe, ist nicht weit. Mit Gottes Hilfe kann ich zu Schiff schnell auf sie gelangen. Lass mich eilends mit einem Kahn hinbringen, um das Werk zur Ehre Gottes auszuführen, das du wünschest." ...
Als der Verehrer des Herrn, Pirminius, besagte Insel betrat, geschah es auf Gottes Befehl, dass jene ganze schreckliche Brut von verschiedenen und ungewöhnlichen Würmern von der anderen Seite aus kriechend und schleichend den Weg ins tiefe Wasser suchte. Und drei Tage und Nächte war die ganze Oberfläche des Sees bedeckt von einer erstaunlichen Menge grässlicher Schlangen. Dann befahlt Priminius, der Kämpfer Christi, Dornen und Disteln, Sträucher und unnützes Gebüsch sowie alle Schösslinge, deren Gebrauch den Menschen nichts nützt, mit Hacken und andern eisernen Werkzeugen auszuhauen. Mit eigenen Händen und mit Hilfe anderer schuf er in drei Tagen durch Roden eine schöne freie Fläche.
Danach erbaute er darauf dem lebendigen und wahren Gott ein liebliches Haus und hinterliess für seine Schüler eine gemeinsame Wohnung.
Karl Martell, der "Hausmeier" (oberster Verwalter) des Königs Theuderich, hat dann die Gründung des Klosters in dieser berühmten Urkunde bestätigt (und dabei u.a. den Weiler Ermatingen als Untertanengebiet dem Kloster zugeteilt):
Diesen Pilgern und Mönchen und all ihren Nachfolgern übergeben wir fünf ausserhalb der Insel gelegene Ländereien in unserer Fronung des Potamicus (Bodensees)
...
Dies sind die Namen der Orte: Marcolfingas, Alahollespach, Calta prunno, Uualamotingas, Alachmontescurt (Markelfingen, Allensbach, Kaltbrunn, Wollmatingen, Allmansdorf) mit all ihren Anhängen und auf der anderen Seite des Rheins den Weiler Erfmotingas mit all seinen Anhängen und Grenzen und Weiten und vierundzwanzig Männer, die im Thurgau wohnen, mit ihren Abgaben:
Ratbert, Goduiuino, Leudold, Nappo, Petto, Chuono, Uicfrid, Justin, Uuitald, Baldger, Lantbert, Airfrid, Uuolhart, Theotherih, Theotpret, Alfrid, Raduuinus, Ailidulphus, Ermanold, Paldfridus, Etirich, Amalfrid, Landuuinus, Uualdarius und all ihre Nachkommen.
übersetzt aus dem Lateinischen mit Google Translate; bearbeitet von Markus Leutenegger,
Urs Keller und Beat Saurer
die Zahlen beziehen sich ungefähr auf die Zeilen des Originaldokuments
1 Da die Gebrechlichkeit des menschlichen Geschlechts das Ende des Lebens zu fürchten hat, das in jäher Wendung eintreten kann, soll man nicht unvorbereitet ohne
2 den Rückhalt guter Werke aus dieser Welt scheiden. Ein jeglicher bereite, wenn er Zeit und Macht hat, einen Weg zur Erlösung in ewiger Seligkeit vor.
3. Darum wende ich, Hausmeier Karl (Martell), mich im Namen Gottes an die erlauchten Männer Herzog Landtfried und Graf Berchtold.
Mögen sie dank ihrer inneren Grösse und Beflissenheit zur Kenntnis nehmen, wie der ehrwürdige Bischof Pirmin
4 zusammen mit seinen wandernden Mönchen aus Gallien im Namen Gottes in das Gebiet der Alamannen gekommen ist.
5 Ihm haben wir einen Ort zum Wohnen überlassen, die Insel, die Sindleszzeisauu genannt wird, damit er dort ein Kloster bauen und die Regel des heiligen Benedikts, die Norm einer guten Lebensführung und Gottesfurcht lehren möge.
6 So wird das Kloster von den genannten Männern gegründet und soll ohne uns oder andere Güter gedeihen können.
Ich habe verfügt, dass es auf der genannten Insel keine andere Regierung gibt, ausser das Wort des ehrwürdigen Mannes Permini.
7. Er ist Abt über das Kloster und die Mönche, die ihm ordentlich und unterwürfig dienen.
Es soll auch kein Schreiber, noch Herzog, noch Graf, noch Richter oder Laie
8 die Mönche stören, um Fälle anzuhören oder Steuern zu fordern, oder schöne Häuser zu bauen.
All die Bewohner der Insel sollen Gott dienen, keine unziemlichen Geschichten erfinden
9 noch irgendwelche Vergeltungen oder Verbote verlangen oder irgendwelche Forderungen haben (…)
10 Es ist aber zum Dienst am Kloster und seinen Mönchen gestattet, dass auf der Insel Bäcker, Fischer, Winzer, Wäscherinnen und andere Bedienstete in friedlicher Ordnung zusammen leben.
11 Wir gebieten und bestätigen mit königlicher Autorität, dass kein Abt noch einer seiner Diener auf der Insel Macht haben darf,
12 irgendjemandem irgendetwas zu gewähren, sei es Pfründe oder Geschenke, sondern alles ist dem Kosten und Nutzen der Brüder vorbehalten.
13 Diesen Pilgern und Mönchen und all ihren Nachfolgern übergeben wir fünf ausserhalb der Insel gelegene Ländereien in unserer Fronung des Potamicus (Bodensees)
14 und gewähren sie auf ewig, wenn sie das Kloster zu Ehren der heiligen jungfräulichen Maria und den Aposteln Petrus und Paulus bauen werden. Mögen die pilgernden Mönche und ihre Nachkommen dadurch Wachstum und Erfüllung erfahren.
15 Sie sollen aber andächtig und fromm zu Gott beten, für uns und für den Bestand unseres Reiches und durch ihre heilige Lehre die Gegend erleuchten und ein Beispiel guter Werke zeigen.
16 Dies sind die Namen der Orte: Marcolfingas, Alahollespach, Calta prunno, Uualamotingas, Alachmontescurt (Markelfingen, Allensbach, Kaltbrunn, Wollmatingen, Allmansdorf) mit all
17 ihren Anhängen und auf der anderen Seite des Rheins den Weiler Erfmotingas mit all seinen Anhängen und Grenzen und Weiten und vierundzwanzig Männer, die im Thurgau wohnen, mit ihren Abgaben:
18 Ratbert, Goduiuino, Leudold, Nappo, Petto, Chuono, Uicfrid, Justin, Uuitald, Baldger, Lantbert, Airfrid, Uuolhart, Theotherih, Theotpret, Alfrid, Raduuinus, Ailidulphus, Ermanold, Paldfridus, Etirich,
19 Amalfrid, Landuuinus, Uualdarius und all ihre Nachkommen.
Auch alle, die in der Gegend frei sind oder sich freiwillig dort hinbegeben, sollen unter unserm Schutz bleiben.
20 Daher gebieten wir euch, die Gesandten zu sein, um den genannten ehrwürdigen Herrn Perminius, den Bischof, und seine Pilgermönche auf die genannte Insel zu bringen
21 und sie vollständig mit den benötigten Dingen auszustatten und alle genannten Flecken ihnen unterwürfig zu machen. Es soll keine Laienperson auf der Insel Regierungsgewalt oder Verhandlungsmacht haben oder in Zukunft erwerben können, sondern
22 nur der ehrwürdige Bischof Perminius selbst mit seinen Mönchen und all ihren Nachfolgern sollen die Lizenz (Macht) haben über
23 ihre Bäcker, Köche, Fischer, Winzer, Wäscher („Walker“) und über alle Diener:die Macht zu herrschen, einen Bann zu verhängen,
24 durch Eid an sich zu binden, schändliche Taten zu verbieten und in Geistlichkeit und Weltlichkeit zu binden und zu entbinden.
25 Die Diener auf der Insel leben mit den Mönchen nach ihrer Regel in Keuschheit in treuem Dienst. Die freien Männer in den genannten Orten wollen gedeihen und zunehmen und
26 was auch immer der Fronhof davon erhoffen mag. Niemand soll büssen oder bannen, niemand wird richterliche Gewalt haben oder rächen,
27 sondern es soll alles zur Speisung der Armen und zur Nahrung der Mönche dienen, die diesen Gott anbeten.
28 Das Dekret der Konzession soll von allen streng eingehalten werden, wir liessen es mit dem Eindruck unseres Ringes und Siegels bestätigen.
29 Monogramm von Karl (Martell) dem Hausmeier, Vater Pippin und Karlmann
30 Ich, Caldedramnus, der Kanzler, habe das geschrieben und das ist geschehen in der Stadt Joppila am fünfundzwanzigsten Tag des Monats April im Jahr Christi, als man zählte siebenhundert und vier und zwanzig Jahr
in Gottes Namen, Amen
Stellen Sie sich zu Beginn ein einfache Saalkirche vor (Modell-Darstellungen aus dem Museum Reichenau):
In diesen Etappen ist das Münster dann ausgebaut worden: