Als das "liebste Sorgenkind" bezeichnete der Historiker A. Mayer den Bürgerwald. Er war der einzige natürliche Reichtum der Gemeinde. Seine Nutzung durch die Gemeindebürger (Hintersassen bekamen keine Holzrechte) wurde genauestens geregelt und argwöhnisch und misstrauisch überwacht.
Bis ins 16. Jahrhundert bestand ein gemeinsamer Wald mit Salenstein und Fruthwilen; nach Streitigkeiten wurde er aber aufgeteilt.
Auch die Zusammenarbeit mit Triboltingen gestaltete sich nicht viel friedlicher: nach etlichen "Spän und Irrungen", aber auch Prozessen vor Gericht wurde der gemeinsame Zwingwald 1825 aufgeteilt.
Diese Holzanteile waren sogenannte Schuppis-Rechte. Eine Schuppis war ein Hof, dem gewisse Holzrechte zustanden (> Familienname "Schuppli").
Ein solches Schuppisrecht in Triboltingen (in Ermatingen dürfte es nicht gross anders gewesen sein) umfasste 2 Klafter (7 Ster) Brennholz, 50 Wellen (dünnes Stangenholz), Kirschen, Holzäpfel, Laub, dürres Holz und ein Streueteil - sowie günstiges Eichenholz bei Bauvorhaben.
Das Brennholz wurde aus den zugelosten Winterhauen, das sind markierte Waldparzellen, geschlagen. Lange Zeit zogen Kinder die Lose.
Allerdings war die Bürgergemeinde bestrebt, die Anzahl der Teilhaber an den Waldrechten möglichst klein zu halten und möglichst wenig Schuppisrechte zuzulassen.
Nur wer Bürger der Gemeinde war, konnte Anspruch auf Schuppisrechte erheben, Zuzüger (Hintersassen oder Ansassen) hatten keine Chance und mussten sich alles benötigte Holz bei der Gemeinde kaufen.
Auf diese Holzrechte geht auch der heutige "Bürgernutzen" zurück, bei dem Mitglieder der Bürgergemeinde Ermatingen drei Ster Holz jährlich zum Selbstkostenpreis beziehen können.
Im Hochwald wurde Bauholz, vor allem Eichen, geschlagen:
A. Bosshard schreibt:
Aus dem Jahre 1501 ist ein Zwingrodel (Waldordnung) des Zwinges Ermatingen-Triboltingen erhalten. In alten Rechtsordnungen ist mir aufgefallen, dass jeglicher Verkauf aus dem Dorf verboten war. Diese Regelung wird sofort klar, wenn man die Art und Weise, Häuser zu bauen, betrachtet:
Wollte ein Bürger, der im Zwing und Bann von Triboltingen und Ermatingen sass, ein Haus bauen, so hatte er an der Martinigemeinde um Bauholz anzuhalten. Bauholz wurde gegeben, wenn man Weg und Steg zur Landstrasse hatte oder einen Torgel bauen wollte. Der Neubau durfte jedoch den Altbau an Grösse nicht übertreffen. Wenn die Gemeinde das Recht auf Bauholz erkannt hatte, besichtigte ein Holzschauer das Bauvorhaben und zeichnete im Wald das benötigte Bauholz.
Eichenholz wurde verwendet für Schwellen, Säulen, First, Dachhölzer, Pfätten, Traghölzer, Mauer-federn, Simse, Kellertürgeräte, Stäbe zur untermauerten Tröschtenne, Kellerlichter und Zuglöcher, Stubenfenster. Aus Arve, Erle, Tanne waren: Riegel, Raffen, Latten, die Trämm über die Keller.
Das gezeichnete Holz musste von St. Bartholomä bis 1. April gefällt werden. Der Rodel von 1781 bestimmte dafür noch die Tage um Neumond. Für den Abtransport wurde je nach Grösse des Bauvorhabens ein Monat bis ein Jahr zugestanden.
Erst wenn das Bauholz auf dem Bauplatz lag, durften die Zimmerleute und Maurer gedingt werden. Der Holzschauer überwachte die richtige Verwendung des Holzes. Das Bauholz durfte nicht versägt, gespalten und geschindlet oder gar an einen Fremden verkauft werden. Die erstellten Bauten wurden jährlich inspiziert. Es wurde auf die gute Instandhaltung der Häuser geachtet. "Häuser, Schöpf, Seüställ oder Gebäud soll man allenthalben im Zwing besichtigen und wer solche nicht in Ehren halte und verfallen lässt, dem solle auf ewige Zeiten kein Holz mehr anderwärts zu bauen schuldig noch verbunden sein.
Auf dem Bauholz wurde nur eine kleine Abgabe erhoben, so dass, abgesehen von den Handwerkerlöhnen, auch weniger Bemittelte bauen konnten. Häuser, die mit Zwingholz gebaut waren, durften daher nicht aus dem Zwing verkauft werden; es sei denn, der Käufer erlange das Bürgerrecht.
Im Mittelwald wurde das Brennholz gewonnen. Allerdings fällte man keine Bäume, sondern sägte vom Boden aus ab, was man erreichen konnte. Die verstümmelten Bäume bildeten wieder Stockausschläge und verbuschten.
Dieser buschige Mittelwald erreichte auch nur eine Höhe von wenigen Metern.
nochmals Bosshard:
Der Winterhau: Brennholz
Der erste Artikel im Zwingrodel bestimmte, dass am Martinstag eine Zwinggemeinde gehalten werden musste. Sie diente der Ausgabe des Winterhaus. Nur in Notfällen konnte an einem anderen Tage um Holz angehalten werden.
Der Holz hau wurde, wie in der Alemannenzeit das Ackerland, verlost (oft zogen Kinder die Lose). Genaue Bestimmungen regelten den Hau: welche Bäume geschont werden müssen, Holzgrösse und Abtransport. Jedem Bürger, der einen eigenen Rauch (also Herd) führte, gebührte ein Winterhau. Er hatte das Recht, noch einen dazu zu kaufen. Das Brennholz durfte jedoch nicht aus dem Zwing verkauft werden.
Dieses Hauen hatte in einer festgesetzten Frist zu erfolgen. Wer ausserhalb der festgesetzten Tage aus dem Wald ging oder fuhr, durfte nicht mehr als 3 Haselstecken mit sich tragen oder führen.
Das Spalten und Aufbereiten des Holzes musste auf freiem Feld geschehen.
Der historische Napoleonturm "Belvédère" mit nur 21 m Höhe überragte damals solchen Mittelwald bei weitem.
Heute ist der Wald 30 m hoch - das ist der Hauptgrund, dass der neue Napoleonturm nicht als Kopie des alten gebaut werden konnte. Man hätte nicht über die Bäume gesehen. Der neue Turm ist 40 m hoch.
Argwöhnisch und misstrauisch wurde die strickte Einhaltung dieser Regeln überwacht. Einem der zwei Förster stand nur die Aufgabe zu, den Wald zu überwachen. Fehlbare wurden ins "Frevlerbüchlein" eingetragen und gebüsst; für Unbelehrbare stand sogar das Arrestlokal im Rathaus zur Verfügung.
Holzfrevel war häufig (und vielleicht verständlich: die zugeteilten 2-3 Klafter Brennholz für einen Winter reichten wohl nicht weit...).
An den jährlichen Bussgemeinden wurden nicht selten 40 oder mehr Sünder gebüsst. Bei Erwachsenen gab es Geldstrafen oder 24 Stunden Narrenhaus (also Arrestlokal im Rathaus). Frauen und Kinder wurden oft in den Block geschlossen (die "Geige") oder in einen drehbaren Käfig gesteckt (die "Trülle"), der dann meist vor der Kirche aufgestellt war.
Die Bussen teilte sich die Reichenau und der Zwing im Verhältnis 3 zu 17. Die 17 Teile wurden nun im Verhältnis 1 zu 2 den Gemeinden Triboltingen und Ermatingen zugewiesen.
Mit den Busseneinnahmen und gelegentlichen Holzverkäufen an die Schloss- oder Lehensbesitzer wurde der Zwingshaushalt finanziert.
Die Nutzung des Waldes beschränkte sich nicht nur auf Brenn- und Bauholz. Alles, was irgendwie verwendbar war, wurde geerntet: Holzäpfel (wild "im Holz" wachsende Äpfel) und Kirschen; Eicheln als Schweinefutter, Laub für die Betten, Streue für die Ställe, Eichenrinde für die Gerberlohe oder Weidenruten zum Korbflechten.
Allerdings war der Wald kein "Selbstbedienungsladen": Alle Tätigkeiten waren streng geregelt, damit niemand einen persönlichen Vorteil erzielten konnte.
Lange diente der Wald auch als Weide für das Vieh (als Allmeind, Gemeinschaftsweide) - doch Trittschäden und Verbiss schadeten dem Wald allzu sehr. Später wurde diese Nutzung verboten.
A. Mayer: "Auf ergangenen Ruf war jeder leibeskräftige Mann pflichtig, sich dafür zur Jagd zu stellen und auf dem Rathause dazu ein Wolfsgarn gehalten. Für einen erlegten Wolf war eine Prämie von 40 Gulden verheissen, wovon 10 der Gerichtsherr bezahlte und 30 auf die Güterbesitzer veranlagt
wurden."
Im Sangen oberhalb des Wolfsberges war eine Wolfsgrube bekannt, die noch bis ca. 1960 beschildert war. Heute haben sich deren Spuren leider verloren.
Eine andere Grube - ich weiss nicht, ob sie auch für die Bärenjagd benützt wurde (im abgebrochenen Rathaus wurde noch ein Bärennetz gefunden) - ist in der Fickrüti in der Nähe des Zelglihofes noch gut sichtbar und leicht zu finden: